Impulse zu Luthers Liedstrophe "Verleih uns Frieden gnädiglich"
Im Jahr 1529 komponiert Martin Luther den Liedvers „Verleih uns Frieden gnädiglich“. Der Vers drückt eine tiefe Sehnsucht nach Frieden aus. In ihrer Schlichtheit haben Melodie und Text etwas Tröstliches, Ruhiges und Gleichmäßiges. Doch schon beim zweiten, genaueren Hinhören und Hinsehen offenbart der Liedruf noch eine andere Dimension. Die Melodie hat auch gleichzeitig etwas sehr Bestimmtes und Eindringliches. Frieden wird sehr sehnlich erbeten. Er scheint aber noch keine Realität geworden zu sein. Gott soll für die Singenden streiten.
Der Liedvers „Verleih uns Frieden gnädiglich“ basiert auf der lateinischen Antiphon „Da pacem domine“ aus dem 9. Jahrhundert. Luther überträgt den lateinischen Text ins Deutsche und versieht ihn mit einer eigenen Melodie. Das Wort „gnädiglich“ steht allerdings nicht in der lateinischen Vorlage. Luther unterstreicht damit, dass der Friede ein Geschenk Gottes ist, das er uns aus Gnade verleiht. Wir sollen uns um den Frieden bemühen, aber dass er gelingt, liegt nicht allein in menschlicher Hand. Nicht die Herren dieser Welt, sondern allein der eine, der Herr aller Zeiten, kann uns Frieden schenken. Gott streitet für uns um den Frieden, kein andrer!
Martin Luther komponierte diese Bitte um Frieden in einer Zeit, die von Unruhen und Aufständen geprägt war. Einerseits tobte innerkirchlich ein massiver Konflikt und Luther musste befürchten, dass der Kaiser die Reformation gewaltsam beenden würde. Andererseits fühlte sich das damalige Abendland in seiner gesamten Existenz durch den kriegerischen Vormarsch des osmanischen Reichs bedroht. Dass die Bitte um Frieden aber zeitlos und immer aktuell ist, betont Luther mit den Worten „zu unsern Zeiten“. Damit kann das Lied immer auch auf aktuelle Ereignisse bezogen werden. Im Laufe der Zeit haben dieses Lied deshalb auch viele Komponisten aufgegriffen. Wir haben den Liedvers heute bereits in der ursprünglichen Form von Martin Luther und in einem Satz von Hans Leo Haßler gesungen. Der Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy hat Luthers Text im 19. Jahrhundert mit einer eigenen, ebenfalls sehr ausdrucksstarken Melodie versehen.
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Julian Handlos